“Fünfzig europäische Expeditionen”, von Martin Leidenfrost

Am Montag Abend war ich bei der Lesung dieses Buches, auch ‘Brüssel zartherb’ genannt. Hier sind, nach dem nächtlichen Lesen weiterer Kapitel, einige Eindrücke.

Die Schrift ist eine Sammlung von echten Kurzgeschichten, die bereits in mitteleuropäischen Zeitungen veröffentlicht wurden. Der Autor beschreibt Eurokraten und Lobbyisten und zeigt die Widersprüche zwischen ihren angegebenen Werten und ihrer Interessensvertretung. Er skizziert vor allem lebhaft und humorvoll ihre Frustrationen, ihre Suche nach Liebe und dem Sinn des Lebens. Dabei werden diese fremden Eurobeings doch menschlich.

Die Zuhörer der Lesung waren zumeist selbst Betroffene. Sie kamen zahlreich — auch Dank des Networking-Papsts Schwalba Hoth und dem Parlamentarier Othmar Karas. Sie hörten grinsend zu, wie sie nett und spitz von Leidenfrost angegriffen wurden. Wo es Humor gibt, gibt es auch Hoffnung: man nimmt von der grausamen Realität Abstand.

Das erinnert mich an die vielen Witze, die im kommunistischen Kaisertum damals liefen. Einer der Charaktere, ein Pole namens Statszek, sagt auf Seite 31: ‘Genau, die EU ist eine neue Sowjetunion’. Leidenfrost zeigt auch, wie die EU-Brüsseler schnell ihre nationalen Wurzeln verlieren und gemischte Beziehungen eingehen. Ich fragte also den Autor, ob unsere Union das geschaffen hat, was die UdSSR versucht hatte: einen ‚homo sovieticus’ zu schaffen, oder einen ‚homo eurocratus’. Er antwortete eher ja, aber betonte gleich, dass es einen riesigen Unterschied gebe: die Demokratie.

Eigentlich- das bestätigt auch das Kapitel ‘Die Skeptiker’ — ist Leidenfrost nicht zu diesen zu zählen. Er beschreibt diese ‚anti’ Kreise als Ideologie, die voller Widersprüche ist.

Eine Frau, wahrscheinlich eine Beamtin die schon 20 Jahre Ihres Lebens der ‘Kausa’ geopfert hat, fragte, ob Leidenfrost auch Eurokraten getroffen habe, die Engagement und Arbeitsfreude zeigen. Der Autor widersprach fairerweise dem Vorurteil, Beamte seien faul.

Ich finde es auch mutig, im Kapitel ‘Rocco’ die Verteidigung von Buttiglione zu nehmen (das war der italienische Kommissar, der wegen angeblicher gay’hässlichkeit abgelehnt wurde). In der Tat, political correctness entsprechend, sollte man solche Leute im Keller der EU-Geschichte belassen.

Ich empfehle jedem, der deutsch kann und sich für Europa interessiert, sich das Buch anzuschauen.

Martin Leidenfrost ist eigentlich ein Freund der EU geworden — ein kritischer Freund eben.

Christophe Leclercq

Praktisch gesehen: Weitere Praktisch gesehen: Weitere . Ich wünschte, diese Schrift wäre auch in anderen Sprachen verfügbar (einiges ist auf Slowakish erhältlich).
Immerhin, ist es gut, dass deutsch in diesen Kreisen wirklich wervendet wird, dazu habe ich einiges zu sagen.